Das Große im Kleinen sehen, verstehen und erleben
Kinder lernen in kleinen Alltagssituationen für das große Leben.
In der Begleitung unserer Kinder spiegeln sich gesellschaftliche Normen und Erwartungen wider, gerade weil wir eben sehr stark mit Erwartungen im Außen aufgewachsen sind.
In jeder Beziehungsdynamik spiele ich selbst als Mensch, als Persönlichkeit mit meinen Vorerfahrungen, Werten und Bedürfnissen etc. eine große Rolle und am Ende wirke ich natürlich innerhalb einer Beziehung zu einem Kind auf das Kind selbst.
Gerade deshalb ist die Selbstreflexion eines der wichtigsten Werkzeuge pädagogischen Handelns.
Heute möchte ich mit dir eine Selbstreflexion teilen, die sich auf die Beispiele meiner vorherigen Blogartikel bezieht. Was haben die Beispiele gemeinsam? Was zeigt sich hier? Ich unterteile meine Reflexion in drei Ebenen auf: Die Perspektive Wir-als-Gesellschaft, Ich-als-Erwachsene/r, Du-als-Kind.
Die Wir-als-Gesellschaft-Dimension:
Dein Kind verhält sich auf eine Weise, die gesellschaftlich häufig abgelehnt wird: Kinder (so unsere vererbten Glaubenssätze) sollten brav, leise und gut erzogen sein und nicht übertrieben emotional reagieren. Kinder stören, so unsere Wahrnehmung, Betriebsabläufe und die Welt der Erwachsenen.
Die Ich-als Erwachsene/r-Dimension:
Im Erziehungs-Paradigma ist der Erwachsene so mit sich selbst beschäftigt, mit seinem/ihrem Stress und seiner Erlebenswelt, dass kein Raum bleibt für die Erlebenswelt des Kindes. Wenn wir als Eltern das hören, empfinden wir vielleicht Schuldgefühle oder denken uns: ja, wie soll das auch anders gehen im vollen, stressigen Alltag. Und genau hier lohnt es sich genauer hinzuschauen.
Denn ja, wir alle als Eltern kommen immer wieder in Situationen, in denen wir ungeduldig und nicht besonders empathisch sind. Es geht eben genau um ein Bewusstsein für diese Situationen, für uns selbst.
Im Beziehungs-Paradigma stellen wir uns selbst Fragen:
Was passiert in mir?
Vielleicht habe ich Angst, das Kind könnte niemals lernen "sich zu benehmen" (Bedürfnis nach Zugehörigkeit), vielleicht empfinde ich das Kind als undankbar, schließlich ist es spät am Tag, ich bin hundemüde, ich habe keine Kraft mehr und jedes Mal, wenn wir beim Abendessen sitzen, fallen dem Kind neue eigenartige Vorstellungen ein, wie das Essen zu servieren sei...
Vielleicht ist mir das Chaos, der Konflikt, die Anstrengung zu viel (Bedürfnis nach Ruhe und Sorglosigkeit), ...? Vielleicht schäme ich mich für das Verhalten des Kindes, weil ich finde, dass es ein schlechtes Bild auf mich als erwachsene/n Verantwortliche/n wirft (Glaubenssatz: Die Eltern haben ihre Kinder zu erziehen.)? Was geht in mir vor? Wie gehe ich emotional in die Situation? Was belastet mich gerade?
Wie kann ich in immer wiederkehrenden stressigen Situationen (häufig sind es im Alltag Momente der Veränderung: Das Kind soll von A nach B, das Kind soll etwas tun, das Kind soll kooperieren) stressfreier gestalten?
Und hier geht es um kleine Veränderungen für unseren Alltag:
Vielleicht reicht es manchmal schon eine halbe Stunde früher aufzustehen oder die Schultasche, den Frühstückstisch, die Anziehsachen am Vorabend vorzubereiten, vielleicht hilft uns ein klarer Ablauf am Morgen, den wir für das Kind visualisieren, vielleicht brauche ich im Klassenraum eine klare Visualisierung von Abläufen, vielleicht sollte das Kind woanders sitzen, ….
Die Du-als Kind-Dimension:
Das Kind hat ein menschliches Bedürfnis. Es kann sein Bedürfnis vielleicht in diesem Moment nicht selbst sehen bzw. es nicht verbal äußern. Das Kind reagiert intuitiv und impulsiv. Das ist eine normale, entwicklungspsychologisch begründete Verhaltensweise von Kindern. Unsere Kinder sind emotional abhängig von uns, sie brauchen unsere empathische Hinwendung.
Worum geht es also in einem beziehungsorientierten Paradigma?
Es geht darum, dass wir wissen, dass Kinder in kleinen Alltagssituationen für das große Leben lernen. Den Umgang mit Freude und Leid lernen Kinder in kleinen Momenten. Es geht darum, dass wir begreifen, welche wichtige Lernerfahrungen wir unseren Kindern schenken können, wenn wir es schaffen, uns empathisch hinzuwenden.
Dafür stellen wir uns in herausfordernden Situationen selbst fragen:
Was geht in mir vor?
Was passiert im Außen (Verhalten des Kindes)?
Was passiert in mir (was fühle ich und warum fühle ich so?)?
Was gehört zu meiner Erlebniswelt und was zu der meines Kindes?
Es geht also um Selbst- und Fremdeinfühlung und einer bewussten Trennung dieser beiden Erlebniswelten. Wenn wir in einen Kontakt zu uns selbst treten, schaffen wir einen Raum der Geborgenheit, der Verbundenheit und der tiefen Beziehung zu uns selbst und zu Anderen.